Bei intensiven Kartierungen im Jahr 2006 auf elf im gesamten Ruhrgebiet verteilten Brachen wurden 36 Libellenarten nachgewiesen – das sind etwa 75 % der im Ruhrgebiet vorkommenden Arten. Ein Großteil dieser Arten konnte sich dort auch erfolgreich fortpflanzen. Von anderen Kartierungen sind noch wenige weitere Arten bekannt, beispielsweise die Gemeine Keiljungfer, die Nordische Moosjungfer oder
Nachgewiesene Arten
Binsenjungfern (Lestidae)
Südliche Binsenjungfer (Lestes barbarus)
Diese Binsenjungfernart profitiert insbesondere von den auf Industriebrachen häufig vorkommenden temporären Gewässern im mittleren Sukzessionsstadium. Dort kommt sie im Vergleich zum gesamten Ruhrgebiet überdurchschnittlich häufig vor, oft auch mit kleinen bis sehr großen bodenständigen Populationen.
Glänzende Binsenjungfer (Lestes dryas)
Von der Glänzenden Binsenjungfer gibt es im Ruhrgebiet nur einzelne Nachweise. Häufig gibt es nur kleine, lokale Vorkommen, meist tritt sie gemeinsam mit den anderen hier genannten Lestiden auf, vor allem mit der Gemeinen Binsenjungfer, der sie sehr ähnlich sieht.
Gemeine Binsenjungfer (Lestes sponsa)
Sie ist nach der Weidenjungfer die häufigste Lestide und ist auch im Ruhrgebiet an geeigneten Gewässern nicht selten. Sie kommt auf Industriebrachen vor allem an Gewässern mit einer hohen Vegetationsdeckung vor und pflanzt sich vereinzelt auch in künstlichen Wasserbecken fort.
Kleine Binsenjungfer (Lestes virens)
Von dieser Art sind aus dem Ruhrgebiet sehr wenige Funde bekannt. Auf Industriebrachen kommt sie vereinzelt an Flachgewässern mit gut ausgeprägtem Kleinröhricht vor. Am Waldteichgelände existiert seit mehreren Jahren ein bodenständiges Vorkommen mit über 100 Individuen . Hier profitiert die Art wie die Südliche Binsenjungfer von der temporären Wasserführung und der Vegetationsstruktur.
Weidenjungfer (Chalcolestes viridis)
Diese Art, die ihre Eier in Weichhölzer im Uferbereich ablegt, ist überall häufig, wo sie geeignete Vegetationsstrukturen vorfindet. Auch an völlig vegetationsfreien Becken wurden Exuvien der Weidenjungfer gefunden – wichtig ist, dass überhängende Zweige als Eiablagesubstrat vorhanden sind.
Gemeine Winterlibelle (Sympecma fusca)
Noch in den 1990er Jahren galt die Winterlibelle im Ruhrgebiet als verschollen. Mittlerweile tritt sie wieder recht häufig auf und lässt sich auch auf Industriebrachen bevorzugt an temporären Gewässern im mitteren Sukzessionsstadium antreffen. Die sich schnell erwärmenden Flachgewässer begünstigen die schnelle Entwicklung der Larven.
Prachtlibellen (Calopterygidae)
Gebänderte Prachtlibelle (Calopteryx splendens)
Als typische Fließgewässerart ist die Gebänderte Prachtlibelle auf Industriebrachen nur als Gast einzustufen und zählt nicht zum typischen Artenspektrum.
Federlibellen (Platycnemidae)
Blaue Federlibelle (Platycnemis pennipes)
Die besonders in den Flussniederungen vorkommende Art gehört nicht zur typischen Libellenfauna auf Industriebrachen. An größeren, älteren Gewässern kann sie, besonders in Flussnähe, vereinzelt in größerer Zahl auftreten.
Schlanklibellen (Coenagrionidae)
Hufeisen-Azurjungfer (Coenagrion puella)
Die Hufeisen-Azurjungfer ist weit verbreitet und eine der häufigsten Arten auf Industriebrachen. Sie besiedelt ein weites Spektrum an Gewässern, meidet aber in der Regel vegetationfreie Becken und Tümpel ohne typische Gewässervegetation.
Fledermaus-Azurjungfer (Coenagrion pulchellum)
Von dieser im Ruhrgebiet sehr seltenen Art gibt es nur einen Einzelfunde auf Industriebrachen. Sie ist demnach nur als Gastart einzustufen.
Becherjungfer (Enallagma cyathigerum)
Diese verbreitete Art ist besonders auf Brachen mit großen Flachgewässern, die von Röhrichtgürteln gesäumt sind und weite, freie Wasserflächen aufweisen, regelmäßig anzutreffen. Unter optimalen können die Vorkommen sehr individuenreich sein.
Pokaljungfer (Erythromma lindenii)
Diese Art ist typisch in Flussauen und größeren Stillgewässern und gehört nicht zur typischen Fauna der Industriebrachen. Einzelne Vorkommen begründen sich wohl zumeist durch Nachbarschaftseffekte oder es handelt sich um Zufallsbeobachtungen einzelner Tiere.
Großes Granatauge (Erythromma najas)
Das Große Granatauge bevorzugt ältere Gewässer und ist im Gegensatz zum Kleinen eher selten im Ruhrgebiet anzutreffen – ebenso auf Industriebrachen. Dort gibt es nur Einzelfunde.
Kleines Granatauge (Erythromma viridulum)
Das Kleine Granatauge kommt an zahlreichen Gewässern mit ausgeprägter Unterwasservegetation auf Industriebrachen vor. An Gewässern im fortgeschrittenen Sukzessionsstadium sind die Individuenzahlen oft hoch, aber auch an Pioniergewässern und Wasserbecken kann sich die Art fortpflanzen, wenn Submersvegetation, zumindest aber Algenwatten vorhanden sind.
Große Pechlibelle (Ischnura elegans)
Sie ist die häufigste Kleinlibelle und an sämtlichen Gewässern anzutreffen. Bei schlechter Witterung ist sie oftmals die einzige aktive Libellenart. Sichere Entwicklungsnachweise lagen allerdings nicht bei allen Vorkommen vor – es sind weniger als bei der ähnlich häufigen Großen Heidelibelle.
Kleine Pechlibelle (Ischnura pumilio)
Diese Pionierlibelle ist im Ruhrgebiet selten und tritt aufgrund des Vorhandenseins geeigneter Gewässer auf Industriebrachen überdurchschnittlich häufig auf. Mehrere Vorkommen waren auch bodenständig, einzelne auch recht individuenreich.
Frühe Adonislibelle (Pyrrhosoma nymphula)
Diese sehr früh im Jahr auftretende Kleinlibelle ist auch auf Industriebrachen verbreitet. Bodenständige Vorkommen gibt es auch an Wasserbecken mit Vegetation.
Edellibellen (Aeshnidae)
Südliche Mosaikjungfer (Aeshna affinis)
Diese mediterrane Art fliegt vermehrt bis in den Norden Deutschlands ein. Auf Industriebrachen können vegetationsreiche Tümpel im mittleren Sukzessionsstadium zumindest zeitweise Entwicklungsgewässer der Art darstellen.
Blaugrüne Mosaikjungfer (Aeshna cyanea)
Die im Ruhrgebiet sehr häufig vorkommende Edellibelle ist auch auf Industriebrachen verbreitet, wird aber seltener angetroffen als die Herbst-Mosaikjungfer. In großer Zahl kommt sie besonders an Gewässern mit Ufergehölzen im fortgeschrittenen Sukzessionsstadium vor. An einigen Becken mit und ohne Vegetation lassen sich Exuvien von ihr finden.
Torf-Mosaikjungfer (Aeshna juncea)
Die sehr seltene Torf-Mosaikjungfer ist nur als Gast einzustufen, da sie die Brachen wohl nur als Jagdhabitat nutzt.
Herbst-Mosaikjungfer (Aeshna mixta)
Die Herbst-Mosaikjungfer zählt zu den häufigsten Libellenarten auf Industriebrachen und ist an einer Vielzahl von Gewässern anzutreffen. In vielen Gewässern im mittleren bis späten Sukzessionsstadium pflanzt sie sich fort, ebenso wie an vegetationsreichen Wasserbecken.
Große Königslibelle (Anax imperator)
Die Königslibelle ist eine charakteristische Art auf Industriebrachen und an nahezu allen Gewässern anzutreffen. Bei permanenter Wasserführung entwickelt sie sich dort regelmäßig. Sie ist auch in der Lage vegetationsfreie Gewässer und Wasserbecken zu besiedeln.
Früher Schilfjäger (Brachtron pratense)
Von dieser Art gibt es im Ruhrgebiet nur wenige Vorkommen. Auf Industriebrachen tritt sie nur vereinzelt an Gewässern mit ausgeprägten Röhrichten auf. Durch ihre frühe Flugzeit besteht allerdings die Gefahr, dass sie häufig übersehen wird.
Falkenlibellen (Corduliidae)
Falkenlibelle (Cordulia aenea)
Die Falkenlibelle ist sowohl im Ruhrgebiet als auch auf Industriebrachen selten und fliegt oft gemeinsam mit dem Frühen Schilfjäger.
Segellibellen (Libellulidae)
Feuerlibelle (Crocothemis erythraea)
Diese mediterrane Libellenart tritt seit einigen Jahren auch vermehrt im Ruhrgebiet auf. Auf etwa einem Viertel aller untersuchten Brachen konnte sie an Gewässern mit meist gut ausgeprägter Vegetation angetroffen werden und ist in Einzelfällen auch bodenständig.
Große Moosjungfer (Leucorrhinia pectoralis)
Für die FFH–Art bietet das Ruhrgebiet kaum geeignete Lebensräume, allerdings treten immer wieder umherfliegende Individuen auf, so auch vereinzelt auf Industriebrachen mit vielfältiger Vegetationsstruktur. Der Fortpflanzungsstatus ist ungewiss, wahrscheinlich ist die Art aber als Gastart einzustufen.
Plattbauch (Libellula depressa)
An Gewässern mit offenen Vegetationsstrukturen ist der Plattbauch häufig anzutreffen und zählt zur typischen Fauna der Industriebrachen. Oft können zahlreiche Exvien im Uferbereich sowie an einigen Becken gefunden werden. Neu angelegte Gewässer werden schnell besiedelt, im Verlauf der Sukzession verschwindet die Art wieder.
Vierfleck (Libellula quadrimaculata)
Der weit verbreitete Vierfleck ist eine häufige Art auf Industriebrachen. Er besiedelt vor allem Gewässer mit hoher Vegetationsdeckung. Auch an verschiedenen bewachsenen Becken lassen sich zahlreiche Exuvien dieser Art finden.
Südlicher Blaupfeil (Orthetrum brunneum)
Diese wärmeliebende Pionierart tritt im Ruhrgebiet nur vereinzelt auf. Sie stellt sich aber schnell an neu angelegten Gewässern oder renaturierten Bächen ein, wenn große Flächen mit offenem Boden vorhanden sind. Sie verschwindet aber in den Folgejahren schnell wieder, wenn der Pioniercharakter des Gewässers verloren geht. Diese Art kann von Industriebrachen profitieren, da solche Gewässer dort nicht selten sind.
Großer Blaupfeil (Orthetrum cancellatum)
Der Große Blaupfeil ist eine charakteristische Art der Industriebrachen und gehört zu den häufigsten dort vorkommenden Arten. Er besiedelt bevorzugt Gewässer früher bis mittlerer Sukzessionsstadien mit offenen Uferstrukturen in großer Zahl. Auch an verschiedenen Becken kommt er vor.
Schwarze Heidelibelle (Sympetrum danae)
Diese Heidelibelle wird mittlerweile auf der Vorwarnliste für das Ruhrgebiet geführt. Von Industriebrachen sind meist Einzelbeobachtungen, aber auch größere bodenständige Vorkommen bekannt, vor allem an vegetationsreichen Tümpeln. Interessanterweise wurden auch an einem vegetationslosen Becken auf der Kokerei Zollverein im Jahr 2006 34 Exuvien gefunden.
Gefleckte Heidelibelle (Sympetrum flaveolum)
Auch diese Art steht mittlerweile auf der Vorwarnliste für den Ballungsraum Ruhrgebiet. Sie zeigt starke Populationsschwankungen, dass es in einigen Jahren (wie 2006) mancherorts Massenvorkommen der Art gibt, während sie in anderen Jahren völlig fehlt. Auf Industriebrachen ist sie typisch an temporären Gewässern mit mittlerer bis hoher Vegetationsdeckung.
Frühe Heidelibelle (Sympetrum fonscolombii)
Diese mediterrane Art beginnt seit einiger Zeit sich im Ruhrgebiet zu etablieren. In der Regel fliegen im Frühjahr Tiere aus dem Süden ein und pflanzen sich hier in 2. Generation fort. Der Erstnachweis der Art gelang auf einer Industriebrache und besonders junge oder künstliche Gewässer bieten der Art Lebensraum.
Blutrote Heidelibelle (Sympetrum sanguineum)
Die allgemein häufig auftretende Libellenart kommt auch auf Industriebrachen regelmäßig vor. Sie besiedelt verschiedene Gewässertypen und besiedelt auch einige Becken mit gut ausgeprägter Vegetation.
Große Heidelibelle (Sympetrum striolatum)
Die im ganzen Ruhrgebiet häufige Art gehört zur typischen Industriebrachenfauna. Sie erweist sich hier in der Lage sämtliche Gewässer, auch künstliche, vegetationslose Becken in großer Zahl zu besiedeln. Sie pflanzt sich auch dort fort, wo andere Arten dies wegen der sehr kurzzeitigen Wasserführung oder evtl. auch wegen der hohen pH- und Leitfähigkeitswerte nicht mehr können.
Gemeine Heidelibelle (Sympetrum vulgatum)
Die Gemeine Heidelibelle kommt zwar auf Industriebrachen regelmäßig vor, ist aber trotz ähnlicher ökologischer Ansprüche deutlich seltener als die Große Heidelibelle. Wahrscheinlich profitiert die letztere, wärmebedürftigere Art stärker von den günstigen mikroklimatischen Verhältnissen.
Industriebrachentypische Fauna
Industriebrachen bieten geeignete Lebensräume für Libellen – aber gibt es auch Arten, die speziell von den Brachen profitieren können und dort vermehrt vorkommen? Oder solche, die auf Industriebrachen unterrepräsentiert sind oder ganz fehlen? Tatsächlich gibt es eine Reihe von Arten, die auf Industriebrachen häufiger vorkommen als sonst im Ruhrgebiet oder in NRW. Zu nennen sind hier insbesondere die Große Heidelibelle, die Südliche Binsenjungfer und die Kleine Pechlibelle, aber auch die Kleine und die Gemeine Binsenjungfersowie der Plattbauch.
Selbst in den extremsten Gewässern hinsichtlich Wasserchemie, Künstlichkeit und Dauer der Wasserführung konnte sie sich fortpflanzen, oftmals als einzige Art. Ihre hohe Anpassungsfähigkeit, die die Besiedlung nahezu konkurrenzfreier Lebensräume ermöglicht, sowie die thermische Begünstigung auf den Brachen sind die Gründe dafür.
da ihr Lebenszyklus an die kurze Dauer der Wasserführung angepasst ist. Auf diese Weise kann sie Gewässer besiedeln, in denen nicht nur wenige Konkurrenten sondern auch kaum Fressfeinde wie Fische vorhanden sind. Da austrocknende Tümpel mit lockerer Binsenvegetation typisch für Industriebrachen sind, bieten sich hier viele geeignete Lebensräume für diese Arten.
und auch der Plattbauch sind Arten, die vegetationsarme und auch temporäre Pioniergewässer besiedeln können und damit der Konkurrenz aus dem Weg gehen. Solche Gewässer sind auf Industriebrachen im Gegensatz zur sonstigen Landschaft vergleichsweise häufig anzutreffen, wovon die beiden Arten profitieren. Viele andere Arten besiedeln Industriebrachen, sind hier aber ähnlich häufig wie sonst in der Region. Allerdings gibt es auch Arten, die auf Industriebrachen fehlen, obwohl sie sonst im Ruhrgebiet vorkommen. Hierzu gehören vor allem die Keiljungfern. Jedoch werden diese regelmäßig in den Schifffahrtskanälen nachgewiesen, die in gewisser Weise auch Teil der Industrieinfrastruktur sind. Andere Arten wie beispielsweise die Smaragdlibellen, Moosjungfern oder einige Mosaikjungferarten fehlen ebenfalls auf den Brachen, sind aber auch im gesamten Ruhrgebiet nicht nachgewiesen oder extrem selten. Vergleicht man die Industriebrachen der Kohle- und Stahlindustrie mit anderen industriell geprägten Lebensräumen wie Braunkohletagebauen oder Sand- und Kiesgruben, kann man viele Gemeinsamkeiten feststellen. Auch diese haben meist eine artenreiche Libellenfauna mit oft ungewöhnlich zusammengesetzten Artengemeinschaften, in denen neben Ubiquisten und Weiherarten vor allem Tümpel- und Pionierarten sowie solche mit ursprünglich mediterranem Verbreitungsgebiet vorkommen. Denn all diese Lebensräume zeichnen sich neben dem wärmebegünstigten Mikroklima durch eine hohe Vielfalt an Gewässertypen mit unterschiedlicher Wasserführung, eine große Strukturvielfalt der Vegetation und eine durch eine hohe Dynamik bedingte Vielfalt der Sukzessionsstadien aus.
Industriebrachen und Libellenschutz
Rote Listen sind ein wichtiges Instrument des Naturschutzes und etwa die Hälfte der Arten, die auf den Industriebrachen nachgewiesen wurden, fielen nach der Roten Liste für den Ballungsraum Ruhrgebiet (RL RBG 99) in eine Gefährdungskategorie.
Wiederum mehr als die Hälfte der gefährdeten Arten konnte sich auf den Industriebrachen erfolgreich fortpflanzen. Insbesondere solche Arten, die auf Industriebrachen überdurchschnittlich häufig waren wie die Binsenjungfern und die Kleine Pechlibelle, gehören dazu. Dies belegt, dass die Brachen wertvolle Lebensräume für schutzbedürftige Libellenarten darstellen und für den Libellenschutz (aber auch für den Schutz anderer Artengruppen) insbesondere im Ballungsraum relevant sein können. Neben ihrer Funktion als Trittsteinbiotope im stark fragmentierten Ballungsraum dienen manche Brachen auch als Kernlebensräume für einige Arten, die dort große Populationen ausbilden konnten.
und die Halde Ellinghausen für die Kleine Pechlibelle.
Obwohl auf Industriebrachen viele Generalisten, die weites Spektrum unterschiedlicher Gewässer besiedeln können, vorkommen, sind auch einige Habitatspezialisten regelmäßig anzutreffen. Besonders für Tümpel- und Pionierarten können Industriebrachen geeignete Ersatzlebensräume bieten, die ursprünglich vermutlich entsprechende Gewässer in intakten Flussauen gefunden haben. Solche Lebensräume sind in der heutigen Landschaft nahezu verschwunden. Im Gegensatz dazu ist die Bedeutung der Industriebrachen für typische Fließwasser- oder Moorarten sehr gering, da entsprechende Lebensräume nicht typisch für Industriebrachen sind.
Unterschutzstellung oder Wiedernutzung?
Für einige Industriebrachen wie beispielsweise das Waldteichgelände mit seiner hohen Artenvielfalt und dem Vorkommen einer speziellen Libellengemeinschaft erscheint es sinnvoll, auch solche durch menschliche Nutzung entstandene Lebensräume unter Schutz zu stellen, da sie eine besonders schützenswerte Flora und Fauna beherbergen. Gleichzeitig bietet sich bei vielen Brachen die auch oft praktizierte Möglichkeit an solche Flächen als Ausgleichsflächen für Naturschutzmaßnahmen auszuweisen. Bei der Frage, wie mit konkreten Flächen oder auch allgemein dem Erhalt der Industrienatur umzugehen ist, empfiehlt es sich einige Aspekte zu beachten: Ein wesentlicher Grund für die hohe Libellenvielfalt auf Industriebrachen ist in der hohen Lebensraum- und Strukturvielfalt zu sehen. Diese ergibt sich aus der hohen Dynamik, der solche Flächen unterliegen: eine neue Brache entsteht, der Sukzessionsverlauf beginnt langsam mit dem Pionierstadium und läuft weiter bis zum Verlandungsstadium. Durch verschiedene Nutzungen, kleinräumige Störungen oder unterschiedliche lokale Bedingungen entsteht somit ein Mosaik unterschiedlichster Gewässertypen und Sukzessionsstadien. Dies bedeutet aber auch, das optimale Bedingungen für einzelne Arten natürlicherweise zeitlich begrenzt sind und sich nicht ohne weiteres konservieren lassen. Bei einer Unterschutzstellung ist es also nötig langfristig Maßnahmen für den Erhalt besonderer Strukturen durchzuführen. Gleichzeitig erscheinen aus diesem Grund klassische Schutzkonzepte, die äußere Einflüsse abschirmen, nicht geeignet. Vielmehr kann eine stellen- oder zeitweise Nutzung oder Störung dazu beitragen frühe Sukzessionsstadien zu erhalten. Da ein Entstehen und Vergehen in der Natur der Brachflächen (und auch in der Natur natürlicher Stillgewässer) liegt, kann es auch ein Ansatz sein eine Wiedernutzung auf den Flächen zuzulassen und dafür an anderer Stelle neue Brachflächen entstehen zu lassen. Besonders wertvolle Bereiche können dabei nach Möglichkeit erhalten und in die aktuelle Nutzung integriert werden. Trotz der hohen Artenvielfalt der Industriebrachen bleibt letztlich zu bedenken, dass sie „den Wert“ naturnaher, naturraumtypischer Lebensräume oft nicht erreichen können. Bevor solche Flächen zerstört und in Nutzflächen umgewandelt werden, erscheint eine Wiedernutzung von Industriebrachen ratsam.